Der Staat in der großen Transformation

Tagung in Tutzing vom 4.- 6. März 2020

ENTWICKLUNG EINER TRANSFORMATORISCHEN STAATLICHKEIT 

In der politischen Rhetorik der vergangenen Jahrzehnte wurde der Staat oft als gefräßig und schwerfällig zum Auslaufmodell erklärt, das weder mit der Effizienz noch mit der Dynamik der Privatwirtschaft mithalten kann. Der Staat sei das Problem und nicht die Lösung. Privatwirtschaftliche Mechanismen und Framings gewannen angesichts einer weithin wahrgenommenen Politikschwäche auch in jenen Bereichen an Bedeutung, in denen Privatisierung kein Thema war. Zukunftsweisende Problemlösungen außerhalb der Privatwirtschaft wurden am ehesten der Zivilgesellschaft zugetraut.

Seit einiger Zeit ist jedoch ein wachsendes Interesse an den Kernfunktionen und an den Kernvoraussetzungen von Staatlichkeit, aber auch an Überlegungen zu einem unternehmerischen Staat zu beobachten. Gleichzeitig brachte der politische Populismus eine neue Art Handlungsfähigkeit des Staats auf die politische Agenda. Vor dem Horizont globaler Probleme erscheint das Potential populistischer Priorisierungen des nationalen Interesses jedoch wenig zielführend. Insgesamt kann sich die Ko-Evolution von öffentlichen und privaten Sphären in unterschiedliche Richtungen entwickeln – auch in Richtung einer pathologischen wechselseitigen Durchdringung beider Bereiche. Handlungsfähigkeit und problemadäquates Wirken des Staats im Sinne öffentlicher Interessen sind auf Voraussetzungen angewiesen, deren Herstellung weder im Bereich rechtlicher noch politischer Mechanismen liegt. Staatsskepsis ist im Lichte von Staatsversagen und Gefahren der Usurpation staatlicher Machtmittel durch Partikularinteressen auch verständlich. Indes: Der Entwicklung einer handlungsfähigen Agentur für genuin öffentliche Güter und Interessen kommt entscheidende Bedeutung in gesellschaftlichen Transformationsprozessen zu. Wo diese schon begonnen haben. wird das nur allzu ersichtlich (Stichworte: Klimawandel und Digitalisierung). Ihr Problemhorizont ist mit den Herausforderungen zu vergleichen, die in der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert zu einer grundlegenden Neuorientierung öffentlicher Institutionen und Organisationen führte. Damals entstand der Sozialstaat.

Kann sich auch heute eine transformatorische Staatlichkeit entwickeln? Welchen Beitrag könnten die Wirtschaftswissenschaften liefern? Welche Bedeutung kommt hierbei dem schwierigen Spannungsfeld von supranationalem Regelungsbedarf, Politikschwäche und dem nationalen Interesse als Gravitationszentrum neuer Handlungsfähigkeit zu? Und wie steht es um die Weiterentwicklung der gesamten institutionellen Architektur wie etwa Infrastrukturen in den Bereichen digitale Ökonomie und ökologische Mobilität?

Dr. Martin Held, Evangelische Akademie Tutzing
Prof. Dr. Ulrich Klüh, Hochschule Darmstadt
Prof. Dr. Richard Sturn, Universität Graz
Gruppe 1: Forschungs-, Innovations-, Standort- und Wettbewerbspolitik
1. Forschungs- und Innovationspolitik als vernachlässigter Transformationsmotor
Sven Schade (EU Kommission, Generaldirektion Forschung und Innovation, Brüssel)
2. Wettbewerbspolitik im populistischen Zeitalter
Tobias Eibinger und Nenad Pantelic (KF Universität Graz)
3. Staatliche Standortpolitik in der globalisierten Wirtschaft
Harald Zschiedrich (Hochschule Technik und Wirtschaft Berlin)
4. Nichtrationales Weiterbildungsverhalten von Arbeitskräften in Deutschland
Sabine Schindler (Universität Koblenz-Landau)
Moderation: Gisela Kubon-Gilke, Darmstadt
Gruppe 2: Akteure, Institutionen und der öffentliche Sektor in der Digitalisierung
1. Digitalisierungsängste und Technostress in der Arbeitswelt – Diagnose und Interventionsmöglichkeiten
Erika Spieß, Julia Reif und Katharina Pfaffinger (LMU München)
2. Multilevel Governance, Digital Transformation, and the Transformation of the State
Mirela Marcut (University of Oradea)
3. Fluch und Segen der Digitalisierung: Kreislaufwirtschaft und neue Rolle des Staates als Lösung der Probleme einer Ökonomie der Unknappheit
Ludger Eversmann (Wirtschaftsinformatiker und Autor, Hamburg)
Moderation: Ulrich Klüh, Darmstadt
Gruppe 3: Grundfragen und Anwendungsbezüge transformativer Staatlichkeit
1. Entwicklung einer transformativen Staatlichkeit
Horst Jesse (Pfarrer, München)
2. Überlegungen zu einer funktional-orientierten Demokratie auf europäischer Ebene
Stefan Parhofer (Physiker, Gräfelfing)
3. Energiewende, COP-21-Ziele und transformative Staatlichkeit
Boris Galonske (Silverbergh Partners, Zürich)
Moderation: Martin Held, Tutzing
Gruppe 4: Utopien, Dystopien, Zukunftsszenarien
1. Digitalisierung, Demokratie und Staat
Klaus Rederer (Datenschutz-Sachverständiger, Neu-Ulm)
2. Postwachstumsökonomie und Degrowth-Bewegung
Ewald Kleyboldt (Volkswirt, Traunstein)
3. Gibt es demokratische Alternativen zur Ökodiktatur
Hans-Ulrich Oberländer (Ingenieur, Jena)
4. Mit extremen Positionen um die Zukunft unseres Landes streiten 
Hans Zangl (Hochschule München)
Moderation: Richard Sturn, Graz

 

Referierende

Prof. Dr. Peter Bofinger, Universität Würzburg
Prof. Dr. Erik Gawel, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ und Universität Leipzig
Prof. Dr. Martin Hellwig, MPI Erforschung von Gemeinschaftsgütern, Bonn
Prof. Dr. Angela Kallhoff, Universität Wien
Prof. Dr. Ulrich Klüh, Hochschule Darmstadt
Dr. Lisa Knoll, Universität Hamburg
Prof. Dr. Daniel Mertens, Universität Osnabrück
Prof. Dr. Uwe Schneidewind, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie (angefragt)
Prof. Dr. Irmi Seidl, Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft – WSL, Zürich
Dr. Rita M. Strohmaier, Universität Graz
Prof. Dr. Richard Sturn, Universität Graz
Prof. Dr. Carl Christian von Weizsäcker, MPI zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern, Bonn

Tagungsteam/Moderation

Dr. Martin Held, Tutzing
Prof. Dr. Ulrich Klüh, Darmstadt
Prof. Dr. Gisela Kubon-Gilke, Darmstadt
Prof. Dr. Andrea Maurer, Trier
Prof. Dr. Johannes Schmidt, Karlsruhe
Prof. Dr. Richard Sturn, Graz

Jahrbuch Normative und institutionelle Grundfragen der Ökonomik 

Herausgeber-Beirat:

Prof. Dr. Hans Albert, Heidelberg • Prof. Dr. Miriam Beblo, Hamburg • Prof. Dr. Adelheid Biesecker, Bremen • Prof. Dr. Simon Gächter, Nottingham • Prof. Dr. Nils Goldschmidt, Siegen •  Dr. Martin Held, Tutzing • Prof. Dr. Ulrich Klüh, Darmstadt • Prof. Dr. Gisela Kubon-Gilke, Darmstadt • Prof. Dr. Andrea Maurer, Trier • Prof. Dr. Hans G. Nutzinger, Kassel • Prof. Dr. Notburga Ott, Bochum • Prof. Dr. Fabienne Peter, Warwick • Prof. Dr. Lucia Reisch, Kopenhagen/Fried- richshafen • Prof. Dr. Michael Roos, Bochum • Prof. Dr. Michael Schmid, Augsburg • Prof. Dr. Johannes Schmidt, Karlsruhe • Prof. Dr. Irmi Seidl, Zürich • Prof. Dr. Andreas Suchanek, Wittenberg • Prof. Dr. Ulrich Witt, Jena

Metropolis

Jahrbuch 01 (2002) Gerechtigkeit als Voraussetzung für effizientes Wirtschaften
Jahrbuch 02 (2003) Experimente in der Ökonomik
Jahrbuch 03 (2004) Ökonomik des Wissens
Jahrbuch 04 (2005) Reputation und Vertrauen
Jahrbuch 05 (2006) Soziale Sicherung in Marktgesellschaften
Jahrbuch 06 (2007) Ökonomie und Religion
Jahrbuch 07 (2008) Macht in der Ökonomie
Jahrbuch 08 (2009) Bildungsökonomie in der Wissensgesellschaft
Jahrbuch 09 (2011) Institutionen ökologischer Nachhaltigkeit
Jahrbuch 10 (2011) Ökonomik in der Krise
Jahrbuch 11 (2012) Lehren aus der Krise für die Makroökonomik
Jahrbuch 12 (2013) Grenzen der Konsumentensouveränität
Jahrbuch 13 (2014) Unsere Institutionen in Zeiten der Krisen
Jahrbuch 14 (2015) Reformen und ihre politisch-ökonomischen Fallstricke
Jahrbuch 15 (2016) Politische Ökonomik großer Transformationen
Jahrbuch 16 (2017) Kapitalismus, Globalisierung, Demokratie
Jahrbuch 17 (2019) Freiheit und Kapitalismus
Jahrbuch 18 (2020) Blockchained, Digitalisierung und Wirtschaftspolitik